Inszenierter FaceTime-Fehler sollte iOS-Nutzer zum Update drängen

Eine neue Sammelklage gegen Apple erreichte gestern ein kalifornisches Gericht. In ihr wird dem Konzern aus Cupertino vorgeworfen, die FaceTime-Funktion 2014 vorsätzlich unbrauchbar gemacht zu haben, um Gebühren des Service-Dienstleisters Akamai zu vermeiden und Nutzer zu einem Upgrade auf iOS 7 zu drängen. Das Problem: Ältere Geräte wie das iPhone 4 und 4S seien dadurch in ihrer Funktion eingeschränkt.

FaceTime

Als Apple 2010 FaceTime vorstellte, setzte es zur Übertragung der Audio und Videodaten zwei verschiedene Technologien ein: Eine Peer-to-peer-Methode, bei der die Daten direkt zwischen den beiden Teilnehmern ausgetauscht werden und eine zweite Relais-Methode, bei der die Daten über die Server des Anbieters Akamai geleitet wurden. Letztere wurde anfangs nur in fünf bis zehn Prozent der Anrufe verwendet. Diese Zahl stieg jedoch rasant, nachdem Apple im November 2012 einen Rechtsstreit gegen VirnetX verlor. Die Jury befand Apple für schuldig, mit seiner Peer-to-peer-Methode Patente des Netzwerkspezialisten verletzt zu haben. Neben einer Geldstrafe von 368 Millionen Dollar musste Apple mangels eigener Peer-to-peer-Technologie auch auf die Relais-Methode wechseln.

Doch die Dienste von Akamai waren nicht kostenlos: Allein in der Zeit von April bis September 2013 soll Apple Rechnungen in Höhe von über 50 Millionen Dollar vom Serverbetreiber erhalten haben. Dies erregte das Interesse von Apples Management, wie eine E-Mail mit dem Betreff „Wege, um die Relais-Nutzung zu reduzieren“ beweisen soll.

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Bild: Shutterstock

Nachdem Apple die hohen Rechnungen rund ein Jahr lang hinnehmen musste, fand der Konzern endlich eine Peer-to-Peer-Methode, die keine Patente von VirnetX verletzt und implementierte diese in iOS 7. Doch viele Nutzer – vor allem älterer Geräte wie dem iPhone 4 oder 4S sollen das Update gescheut haben, behaupten die Kläger. Apple habe die Nutzer daher gedrängt, auf iOS 7 zu wechseln, indem der Konzern ein für FaceTime notwendiges digitales Zertifikat einfach früher ablaufen ließ. Ab dem 16. April 2014 begannen bei iOS-6-Nutzern und ihren Kontakten dann die Probleme, die Apple in seinen Support-Dokumenten zu dieser Zeit als „Fehler“ bezeichnete:

Wenn du nach dem 16. April 2014 Probleme beim Starten oder Annehmen von FaceTime-Anrufen hast, ist dein Gerät oder das deines Freundes vermutlich von einem Fehler betroffen, der von einem Geräte-Zertifikat ausgeht, welches an diesem Datum abgelaufen ist. Ein Update beider Geräte auf die neueste Software wird das Problem beheben.

Als Beweis dafür, dass Apples Handeln von den hohen Akamai-Gebühren angetrieben wurde, zitiert die Klage einen E-Mail-Verlauf zwischen Apple-Ingenieuren:

Hey, Leute. Ich sehe mir gerade den Akamai-Vertrag für das nächste Jahr an. Ich erkenne, dass wir im April etwas mit iOS 6 getan haben, um die Relais-Nutzung zu verringern,“ schrieb ein leitender Ingenieur und erhielt von einem anderen Ingenieur die Antwort: „Es gab eine große Relais-Nutzer-Bandbreite. Wir haben iOS 6 zerstört und der einzige Weg, um FaceTime wieder zum Laufen zu bringen ist, auf iOS 7 zu aktualisieren.

Die Klage ist jedoch fragwürdig, da die Aktualisierungsmoral unter iOS-Nutzern generell sehr gut ist. Laut Apples Statistik soll iOS 6 im April 2014 nur noch auf elf Prozent der Geräte installiert gewesen sein (12 Prozent im März). Damit wäre die Quote der Relais-Nutzer kaum höher als zum Start des FaceTime-Services.

Ob gewollt oder ungewollt: Nutzer, die FaceTime-Anrufe weiter nutzen wollten, hatten keine andere Wahl, als ihr iOS-Gerät auf iOS 7 zu aktualisieren. Ein Update für iOS 6 blieb aus. Das neue Betriebssystem sei für ältere Geräte wie das iPhone 4 oder 4S jedoch eine zu große Last gewesen, sodass diese in der Folge häufig abstürzten oder Programme langsamer liefen, berichten die Kläger. Apple habe den Nutzern mit der Entscheidung geschadet und sei verantwortlich für die Besitzstörung – ein Delikt, bei dem eine Partei gewollt den Besitz einer anderen Person beeinträchtigt. Daneben wird nach bisher noch nicht bekannt gewordenen Schäden gesucht. Außerdem sieht die Sammelklage Kaliforniens Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verletzt.

[via AppleInsider]

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